Die Litauer lieben Hügel und sie lieben es, die Hügel hinaufzusteigen, die Aussicht zu genießen oder in die Ferne zu blicken. Um das Besteigen zu vereinfachen, haben sie auf der einen Seite der Hügel eine Holztreppe angelegt. Mehr als tausend, von Hand aufgeschüttete Hügel finden sich in Litauen.
Die Liebe zu den Hügeln kommt wohl nicht von ungefähr. Mittlerweile haben Forschende mehr als tausend Hügel in ganz Litauen gefunden, die von Menschenhand aufgeschüttet wurden. Damit nicht genug: In den zum Teil weitläufigen Wäldern Litauens werden laufend weitere Hügel gefunden, kartografiert und in der nationalen Liste aufgenommen.
Viele von den Hügeln wurden als Teil von Befestigungsanlagen geschaffen, die oben auf dem Hügel gebaut wurden. Durch die Erhöhung wurde den Angreifern das Leben zusätzlich erschwert. Angriffe mit Prellböcken waren unmöglich und auch das Erstürmen wurde maßgeblich gehemmt. Zusätzlich ergab sich eine bessere und vorab weitere Sicht über das zumeist flache Umland.
In manchen der Hügel wurden Gräber gefunden. Wie stark Hügel für diesen Zweck erbaut wurden, konnte ich allerdings nicht herausfinden.
Einige wenige Hügel wurden für Schlachten aufgeschüttet oder umgenutzt. Die Offiziere inspizierten von dort aus die Lage, gaben vor und während der Schlacht ihre Befehle und konnten sich im ansonsten flachen Land einen Überblick über den Schlachtverlauf machen.
Der Hügel Paukščiai pialiakalnis ist in etwa 10 Meter hoch, von der Seeseite sogar rund 14 Meter. Der Hügel wurde früher als Befestigung genutzt. Spuren eines Walls und eines Verteidigungsgrabens sind heute noch sichtbar. Am südlichen und westlichen Fuß des Hügels fanden die Forschenden Spuren einer Siedlung. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich in dem Hügel das Erbe des Adligen Surmins befand.
Im Umkreis von 20 Kilometer befinden sich 16 weitere Hügel. Auf der offiziellen Webseite des vom litauischen Staat unterstützten Projektes findest Du nicht nur eine Beschreibung und den Standort der bisher in der offiziellen Liste aufgenommenen Hügel, sondern auch eine detaillierte Erläuterung der Bauwerke. Besonders gefällt mir die intuitive Suche nach den nächstgelegenen Hügeln, die sowohl mittels Eingabe z.B. des Bezirks oder noch einfacher mit einer interaktiven Karte gesucht und gefunden werden können. Die Webseite ist ausschließlich in litauischer Sprache verfügbar. Verschiedene Browser bieten heute jedoch eine Direktübersetzung an.
Die Fahrt zum Hügel «Paukščiai pialiakalnis» ist in erster Linie ein Eintauchen in die litauische Landschaft. Abrupt und ohne Ankündigung ist die bis dahin asphaltierte und gut unterhaltene Landstraße zu Ende. Es führt eine ebenso breite Schotterstraße weiter, zwar ohne die gewohnten Schläge, dafür mit der gewohnten Staubwolke hinter jedem Fahrzeug.
Schmalere und mit tiefen Löchern versehene Landstraßen führen von der Hauptverbindungsstraße zu einzelnen Höfen und kleinen Siedlungen. Die Häuser sind zumeist aus Holz und nur allzu oft baufällig. Dann wiederum fuhr ich an einem der Häuser vorbei, das inmitten des Nirgendwos lag und liebevoll geschmückt war. In den Bilder oben ein Beispiel eines dieser Häuser. Schwäne und Hühner wurden handwerklich nachgebildet, eine große Strickarbeit schmückt den Auflad einer Schubkarre.
Der kurze Abstecher zum Hügel hat mich wohl rascher und tiefer in die litauische Seele blicken lassen, als die Aufenthalte in den Städten Vilnius und Kaunas.